Urteil des Bundesgerichts zur Landesverweisung

Kein überwiegendes öffentliches Interesse an Landesverweisung

Obergericht Aargau wollte den wegen Betruges verurteilten Kosovaren ausweisen

Im März 2020 wurde ein heute 45-jähriger Kosovare vom Obergericht des Kantons Aargau wegen mehrfachen (teilweise versuchten) Betruges zu einer Geldstrafe von 100 Tagessätzen à CHF 80.00 als Zusatzstrafe zu einem Strafbefehl verurteilt. Er soll durch wahrheitswidrige Angaben gegenüber der öffentlichen Arbeitslosenkasse unrechtmässig Gelder erhältlich gemacht bzw. dies teilweise versucht haben. Darüber hinaus wollte das Obergericht den verurteilten Betrüger für fünf Jahre des Landes verweisen.

Rechtsanwältin Schneeberger erhebt erfolgreich Beschwerde

Gegen diesen kantonal letztinstanzlichen Entscheid erhob Frau Rechtsanwältin Tanja Schneeberger für den verurteilten Kosovaren (nachfolgend Beschwerdeführer genannt) in Bezug auf die Landesverweisung erfolgreich Beschwerde ans Bundesgericht.

Landesverweis ist unverhältnismässig

Der Beschwerdeführer ist hier verwurzelt

Das Bundegericht kam zum Schluss, dass die Landesverweisung nicht verhältnismässig ist. Der Beschwerdeführer ist im Alter von 18 Jahren während des Kosovokrieges in die Schweiz migriert und lebt nun seit 27 Jahren hier. Somit hat er, so das Bundesgericht, den weitaus grössten Teil seines Lebens hier verbracht und ist hier verwurzelt. Den Kinder- und Jugendjahren im Kosovo können demnach keine überragende Bedeutung mehr zukommen.

Privates Interesse am Verbleib wiegt schwer

Sodann wiegt die enge Beziehung des Beschwerdeführers zu seinen zwei Söhnen, insbesondere zum erst 10-jährigen Sohn, mit Blick auf die Annahme eines Härtefalls sowie ein zu gewichtendes privates Interesse des Beschwerdeführers und seines Sohnes schwer. Daran ändert nichts, dass er über kein gerichtlich geregeltes Besuchsrecht verfügt, da dies aufgrund der Einigung der Ehegatten nicht erforderlich gewesen war. Weiter lebt der Beschwerdeführer in einer langjährigen Beziehung mit einer Schweizerin, und er ist während der weit überwiegenden Zeit seiner Anwesenheit in der Schweiz erwerbstätig gewesen. Sein Interesse am Verbleib in der Schweiz wiegt daher schwer. Das Bundesgericht bejaht demnach das Vorliegen eines Härtefalles.

Kein überwiegendes öffentliches Interesse

Schliesslich sah das Bundesgericht kein überwiegendes öffentliches Interesse an der Fernhaltung des Beschwerdeführers. Die ihm zur Last gelegten Verfehlungen, welche mit 40 resp. 60 Tagessätzen Geldstrafe geahndet worden sind, bewegen sich im untersten möglichen Bereich des Strafrahmens sowohl bezüglich der Urkundenfälschung (Vorstrafe) als auch des Betruges . Mit Bezug auf letztere, vor Bundesgericht beurteilte Straftat ist im Übrigen von einer geringen kriminellen Energie auszugehen und ein kleiner Schaden entstanden bzw. vom Beschwerdeführer in Kauf genommen worden. Jedenfalls aber kann nicht gesagt werden, die Katalogtaten erreichen einen derartigen Schweregrad , dass die Landesverweisung zur Wahrung der inneren Sicherheit notwendig erscheint. Auch die von der Vorinstanz erwähnten, nicht näher bezifferten Schulden des Beschwerdeführers begründen kein überwiegendes öffentliches Interesse an einer Landesverweisung.

Landesverweisung verletzt Bundesrecht

Deren Anordnung durch das Obergericht Aargau verletzt Bundesrecht (Urteil des Bundesgerichts 6B_587/2020 vom 12. Oktober 2020)

Vergleiche auch den weiteren Beitrag zur Landesverweisung