Erbrechtsrevision

Ziel der Revision des Erbrechts

Aufgrund des gesellschaftlichen Wandels und den neuen Familienformen (Stichwort: Patchwork-Familie) werden dem Erblasser / der Erblasserin mehr Gestaltungsfreiheit für ihren letzten Willen eingeräumt. Im Scheidungsrecht soll missbräuchliches Verhalten einer Partei im Zusammenhang mit dem Erbrecht erschwert werden. Die Revision trat am 1. Januar 2023 in Kraft.

Änderung der Pflichtteile von Eltern und Nachkommen

  • Der Pflichtteil der Eltern entfällt (heute 1/4 ihrer Erbquote)
  • Der Pflichtteil der Nachkommen wird von 3/4 auf 1/2 reduziert
  • Der Pflichtteil des überlebenden Ehegatten bleibt unverändert bei 1/2 des gesetzlichen Erbanspruchs.

Die Höhe der gesetzlichen Erbteile bleibt unverändert (s. Art. 457 ff. ZGB)

Verfügbare Quote wird erhöht

Mit den kleineren Pflichtteilen erhöht sich die verfügbare Quote. Die verfügbare Quote ist der Anteil am Nachlass, über den der Erblasser / die Erblasserin letztwillig verfügen können.

  • Sind Nachkommen, aber kein Ehegatte vorhanden, kann der Erblasser / die Erblasserin über die Hälfte des Nachlasses frei verfügen (aktuell: nur ein Viertel)
  • Sind Nachkommen und ein Ehegatte vorhanden, kann der Erblasser ebenfalls über die Hälfte des Nachlasses frei verfügen (aktuell: nur drei Achtel)

Mit den grösseren verfügbaren Quoten können beispielsweise nicht verheiratete Lebenspartner oder Stiefkinder mittels Testament begünstigt werden. Haben Sie bereits ein Testament erstellt, sollten Sie prüfen, ob die Revision dazu führt, dass ihr Nachlass zukünftig anders verteilt wird, als von Ihnen gewünscht.

Laufendes Scheidungsverfahren: kein Pflichtteil mehr

Bei hängigem Scheidungsverfahren verliert der Ehegatte seinen Pflichtteilsschutz. Er kann mittels Testament von der Erbschaft ausgeschlossen werden. Wird testamentarisch nichts verfügt, behält er wie bis anhin bis zur Rechtskraft des Scheidungsurteils seinen gesetzlichen Erbanspruch.

Voraussetzung für den Verlust des Pflichtteilsschutzes ist, dass

  • ein Scheidungsverfahren eingeleitet worden ist und
  • das Verfahren auf gemeinsames Begehren eingeleitet bzw. fortgesetzt wurde oder oder die Ehegatten seit mindestens 2 Jahren getrennt leben.

Liegen diese Voraussetzungen vor, kann der überlebende Ehegatte zudem keine Ansprüche mehr aus Verfügungen von Todes wegen erheben. Wenn zum Beispiel in einem Erbvertrag bestimmt wurde, dass die Kinder auf den Pflichtteil gesetzt und die verfügbare Quote dem überlebenden Ehegatten zugewendet wird, gilt dies nicht mehr, es sei denn es wurde ausdrücklich etwas anderes vereinbart.

Pflichten aus dem Erbvertrag

Bisher war es möglich, dass ein Ehegatte Schenkungen zu Lebzeiten machen konnte, auch wenn mittels Erbvertrag der überlebende Ehegatte begünstigt wurde. Damit konnte der Ehegatte die Bestimmungen des Erbvertrages unterlaufen, wenn nicht ausdrücklich etwas anderes vereinbart wurde (es sei denn, dem Überlebenden gelingt der Nachweis, dass der Verstorbene damit offensichtlich beabsichtigte, den Erbvertrag auszuhöhlen). Neu unterliegen Verfügungen von Todes wegen und Zuwendungen unter Lebenden - mit Ausnahme der üblichen Gelegenheitsgeschenke - der Anfechtung, wenn sie mit den Verpflichtungen aus dem Erbvertrag nicht vereinbar sind und nicht vorbehalten worden sind.

Auswirkung auf die Nachlassplanung

Bestehende letztwillige Verfügungen, mit denen Nachkommen oder Ehegatten auf den Pflichtteil gesetzt wurden, sollten überprüft werden. Auf den Pflichtteil gesetzte Nachkommen beispielsweise erhalten im Falle des Todes nach dem 1.1.2023 nur noch die Hälfte, statt drei Viertel des gesetzlichen Erbteils (vorbehältlich einer einzelfallweise vorzunehmenden anderen Auslegung der Verfügung). Falls das nicht gewünscht ist, muss die letztwillige Verfügung geändert werden.

Ratschlag

  • Prüfen sie ihre bestehenden letztwilligen Verfügungen. Wir sind ihnen gerne behilflich.
  • Die Erbrechtsrevision ist bei neuen letztwilligen Verfügungen dahingehend zu berücksichtigen, dass sowohl der Todesfall vor dem 1.1.2023 als auch der Todesfall nach dem 1.1.2023 geregelt werden.

Den vollständigen Gesetzestext der Revision finden Sie hier

Version 01/23